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"Der Umgang mit digitalen Medien in der Kulturvermittlung steckt noch in den Kinderschuhen": Mit dem «CAS Digitale Kulturen» wurde an der Universität Basel ein Studiengang geschaffen, der jüngste Entwicklungen zur Digitalisierung in der Kulturlandschaft aufgreift. Im Interview mit KVS erklären Sabine Himmelsbach, künstlerische Leiterin des HeK Basel sowie Shusha Niederberger, Leiterin der Kunstvermittlung am HeK Basel, welchen Stellenwert sie der digitalen Kulturvermittlung und dem Einsatz virtueller Realität in der heutigen Vermittlungspraxis zuschreiben.
Sabine Himmelsbach, Sie sind im Rahmen des Studiengangs «CAS Digitale Kulturen» als Dozentin für Digitales Kuratieren tätig. An wen richtet sich denn der neue Studiengang?
SH: Im Grunde genommen richtet sich der Studiengang an alle Studierenden, die im Kulturbetrieb arbeiten wollen, denn das Digitale umfasst heute alle Tätigkeitsbereiche.
Im Zentrum des neuen Studienganges steht u.a. das Bestreben, den Einfluss des digitalen Medienwandels auf die Kulturproduktion, -organisation und den Kulturerhalt im digitalen Zeitalter zu thematisieren. Welchen Stellenwert nimmt dabei die digitale Kulturvermittlung ein?
SH: Die digitale Kulturvermittlung nimmt meiner Meinung nach einen zentralen Stellenwert ein. Dabei geht es vor allem um das Erwerben von Medienkompetenz und das Verständnis für die neuen medialen Distributions- und Vermittlungskanäle. Der praktische Aspekt spielt hier eine grosse Rolle im Sinne eines 2 kulturellen Handelns als "hands-on-process", also ein Begreifen und Verstehen, dass über das Tun und selber machen funktioniert.
Der Studiengang setzt sich zum Ziel, theoretische Inhalte mit der Berufspraxis zu verbinden. Inwiefern sind theoretische Grundlagen über Rechts- und Gesellschaftsfragen für die praktische Anwendung digitaler Tools relevant/notwendig?
SH: Den rechtlichen Handlungsspielraum bei der Nutzung digitaler Tools zu kennen ist sehr wichtig. Nur so ist ein professionelles Agieren möglich.
Sie selber sind seit 2012 künstlerische Leiterin des Hauses für elektronische Künste (HeK) in Basel, das zu Beginn dieses Jahres eine Ausstellung zur künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Virtual RealityMedium kuratierte. Inwiefern unterscheidet sich der Einsatz virtueller Realität von bisherigen künstlerischen Medien? Welchen Einfluss hat dies auf die Vermittlung?
SH: Unsere VR-Ausstellung "Die ungerahmte Welt" war sehr erfolgreich – mit hoher Wahrnehmung von Seiten der Medien und grossem Publikumsandrang. Für viele Besucher war es die erste Gelegenheit diese neue Technologie auszuprobieren. Der Unterschied zu bisherigen künstlerischen Medien ist, dass es in der virtuellen Realität keine Distanz mehr zu der präsentierten Erlebniswelt gibt. Man befindet sich mitten in ihr, wird zum Mittelpunkt einer digital erschaffenen Welt. VR wird mittlerweile in verschiedensten Bereichen eingesetzt – zur Traumata-Bewältigung nach Kriegseinsätzen oder zur Linderung von Phobien ebenso wie in der Tourismusbranche. VR wurde oft als "Empathie-Maschine" beschrieben, da sie erlaubt, direkt ins Geschehen einzutauchen. Ich sehe das etwas kritischer. In den in der Ausstellung gezeigten Werken wurde reflektiert, wie wir in diesen neuen digitalen Räumen interagieren und wie sie unsere Vorstellungen von Raum und Zeit, für Soziales, für Privatheit und Öffentlichkeit grundlegend verändern.
Shusha Niederberger, Sie leiten die Kunstvermittlung am HeK Basel. Wie erleben Sie generell den Umgang mit digitalen Medien in der Vermittlungspraxis?
Shusha Niederberger: Der Umgang mit digitalen Medien in der Kulturvermittlung steckt noch in den Kinderschuhen. Das Gebiet ist noch mit grossen Vorbehalten und Ängsten verbunden, von allen Seiten – ich nehme hier die Institutionen, Pädagog_innen und Vermittler_innen gar nicht aus. Wir machen oft die Erfahrung, dass digitale Medien mit Vorurteilen behaftet sind: kalt, abstrakt, unpersönlich, ja sogar bedrohlich. In der Begegnung mit künstlerischen Werken wird die digitale Welt plötzlich anders erlebt: „Ich wusste gar nicht, wie sinnlich diese Kunst ist.“ sagte eine Besucherin nach einer Führung. Und gleichzeitig bringen doch alle reiche Erfahrungen mit der digitalen, medialen Welt mit, und meistens sogar ein Smartphone. Damit phantasievoll und selbstbestimmt umzugehen, ist allerdings für viele eine neue Erfahrung, hier sehe ich sehr viel Potential. Wir müssen daran arbeiten, die digitalen Medien nicht nur als Instrumente zu sehen, sondern als Teil unserer Gegenwartskultur.
Wie sehen Sie die Zukunft der Digitalisierung in der Kultur – und Vermittlungsszene?
SN: Der Umgang mit digitalen Medien wird sich entspannen und selbstverständlich werden, sie werden als vielfältiger und fruchtbarer Teil der Gegenwartskultur anerkannt. Dieser Haltungswechsel wird viele neue 3 Zugänge zu Institutionen schaffen, Besucher_innen werden in den kulturellen Produktionsprozessen sichtbarer werden und aktiv teilnehmen (dies tun sie ja jetzt schon, nur meistens abseits der Institutionen). Dieser Austausch wird für die Institutionen höchst fruchtbar sein und sie als Orte einer kulturellen zeitgenössischen Öffentlichkeit stärken. Dies wird auch ein Beitrag an die kulturelle Bildung des Nachwuchses innerhalb der digitalen Kultur sein.
Sabine Himmelsbach (*1966) ist Kunsthistorikerin und seit 2012 Leiterin des Hauses für elektronische Künste in Basel. Zuvor leitete sie von 2005 bis 2011 das Edith-Russ-Haus für Medienkunst in Oldenburg sowie von 1999 bis 2005 die Ausstellungsabteilung des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe.
Shusha Niederberger (*1974) studierte bildende und digitale Kunst in Zürich und Wien und leitet seit 2014 die Kunstvermittlung des Hauses für elektronische Künste in Basel. Sie ist Dozentin für zeitgenössische Netzkultur an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich und seit 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin im SNF-Forschungsprojekt «Creating Commons» an der ZHdK.